Ein etwas anderer Reisebericht aus dem Libanon
Es ist 3:13 Uhr in der Früh und ich lande mit der Lufthansa-Maschine in Beirut. Mein Handyakku ist mittlerweile leer, und da ich traditionell ausnahmslos das Essen im Flieger verschlafe, habe ich auch noch Hunger. Das beginnt hier ja super.
Jehad, mein Freund aus Heilbronn, holt mich mit seinem Vater am Flughafen ab. Sie haben sich vor Jahren ein eigenes Haus im Süden des Landes gebaut. Aytaroun, tief im Libanon an der israelischen Grenze. Das bedeutet, wir brauchen für die 120-Kilometer-Strecke gemütliche drei Stunden. Als leidenschaftlicher Autoschläfer vergesse ich alles um mich herum und wache erst wieder auf, als sich die Türen des staubigen Neunsitzers öffnen.
Die folgende Nacht war kurz. Wir waren zum Essen eingeladen. Jehads Eltern sind hier aufgewachsen und der Großteil der Familie lebt hier im Libanon. Eine Ziege wird geschlachtet und alle Familienmitglieder trafen sich auf dem Balkon zum Essen. Jede Menge Fleisch, das direkt gegrillt wird, Salate, Humus so weit das Auge reicht und Pommes. Ich habe mich nie mit Humus und Ziegenfleisch anfreunden können, sodass ich beim Salat und den Pommes bleibe. Auch nicht schlecht rede ich mir ein. Die Gastfreundschaft hier erstaunt mich. Ich werde direkt in alle Familienaktivitäten eingebunden und fühle mich in keinster Weise fremd. Nur verstehe ich kein Wort.
Der Grund meiner Libanon Reise
Der Grund für meine Reise hierher ist eine Hochzeit. Jehads Bruder Ali hat sich hier in eine Frau verliebt. Diese Hochzeit begleite ich als Fotograf mit der Kamera.
Es ist eine schwierige Zeit hier im Libanon. Der Krieg in Syrien, der IS und auch die angespannte Stimmung zwischen dem Libanon und Israel ist hier allgegenwärtig. Ein langer Zaun trennt das Land von Israel. Hinter dem Zaun: zig Landminen. Dahinter ein noch größerer Zaun. So soll verhindert werden, dass man über die Grenze kommt. Panzer patrouillieren auf den Hügelspitzen und während wir auf den Straßen entlang der Grenze fahren, werde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Die Luftangriffe Israels im Jahre 2006 spürt man im Libanon bis heute noch. Vor allem im Süden des Landes. Kaum ein Haus steht unbeschadet und die Meisten befinden sich im Wiederaufbau.
Der Großteil der Bevölkerung hält sich durch Schafs- und Ziegenhaltung über Wasser und versorgt sich selbst. Einige Libanesen betreiben Autowerkstätten. Viel mehr Möglichkeiten für sein Einkommen zu sorgen, gibt es kaum. Aber die Leute sind zufrieden, so scheint es mir. Der IS, der im Nachbarland wütet, treibt eine unglaubliche Anzahl an syrischen Flüchtlingen ins Land und die Hizbollah versucht für ein wenig Sicherheit für die Fliehenden zu sorgen – auch durch wenige Tage dauernden Einsätzen im vom Bürgerkrieg geplagten Nachbarland. Einige Hizbollah-Kämpfer kommen nur leider nicht aus Syrien von ihren Einsätzen zurück. Große Plakate mit ihren Bildern prägen die Stadt und lassen sie nicht vergessen.
Wir erkunden den Libanon
Die freien Tage bis zur Hochzeit verbringen wir damit, die Landschaften zu begutachten. Eins muss ich sagen, liebe Heimat, wir sind mit unserem Heilbronner Land doch sehr verwöhnt. Ich sehe hier viele Berge, aber meist sind diese felsig, kahl und mit wenigen ausgetrockneten Sträuchern und Bäumen bewachsen. Kommt man von den Hauptstrassen ab, wird es sofort holprig und steinig.
Riesige Schafherden kreuzen unseren Weg, Geißböcke stoßen sich die Köpfe und überall, wirklich überall!!!, stehen alte Mercedes Limousinen.
Wenn ihr euch je gefragt habt, wo all die schönen Mercedes aus den 80ern hingekommen sind: sie sind hier! Alle! Mindestens 50 % aller Autos auf den Straßen kommen aus Stuttgart. W123er, 300SD, alles was das Youngtimer-Herz begehrt, parkt hier an jeder Straßenecke. Nur leider ist es eine Seltenheit auch mal einen ohne Rost, eingedrückten Kotflügel oder gar vollständig in einer Farbe zu Gesicht zu bekommen.
Ein Tag am Strand - Sour
Wir sind an einem Tag am Strand von Sour. Die nächstgrößere Stadt liegt eine Stunde Fahrtzeit entfernt. Hier gibt es einen kleinen Hafen, einen kleinen Basar in den Gassen der Stadt und einen toll anzusehenden Strand. Nur leider lädt Sour-Beach nicht zum Baden ein. Viel zu felsig und steinig ist der Strandabschnitt hier und taugt höchstens als Fotomotiv.
Im Libanon leben beinahe genau so viele Muslime wie Christen. Neben den Moscheen stehen hier auch christliche Kirchen. Wir treffen eine Gruppe junger Libanesen am Strand, die uns auf ein Bier einladen und sich dafür interessieren, wo wir herkommen. Etwas unheimlich sehen sie aus, sind aber überraschend freundlich.
Da sitzen wir am Strand, die Sonne geht unter, jeder hat ein Bier in der Hand und es gibt eine Menge Früchte, Sonnenblumenkerne und Chips. Ich frage mich zwar, woher die Plastikstühle und der große Tisch hier herkommen, genieße aber einfach den Ausblick, während ich auch hier kein einziges Wort verstehe und Jehad mir zwischendurch mal etwas übersetzt.
Ein paar Tage später ist es soweit. Die Hochzeit steht an und alle sind aufgeregt. Ich wache jeden Morgen nach viel zu wenig Schlaf auf. Auch in den Nächten wird es nicht kühler als 20 Grad. Die Haut schwitzt, klebt und das dünnste Laken fühlt sich an wie eine Rheuma-Wärmedecke.
Und die Stechmücken sind mein »Kryptonit«. Sie treiben mich in den Wahnsinn. Ihr Leises, nicht aufhören wollendes blutrünstiges Summen, zermürbt mich. Mit einer elektronischen Mückenklatsche machen wir uns im Dunkeln auf die Jagd nach den blutsaugenden Insekten. Obwohl wir alle Türen und Fenster geschossen und abgedichtet haben, kamen wir jede Nacht auf über 100 Treffer, bis uns vor Müdigkeit die Augen zufielen. Ich vermisse ganz besonders mein gemütliches Bett in meinem kühlen Schlafzimmer zu Hause.
Als Fotograf auf einer Hochzeit im Libanon
Genug gejammert, zurück zur Hochzeit! Es ist Sonntag. Wir gehen alle noch zum Berber. Die Haare richten, den Bart stutzen und sich die Haare aus den Ohren brennen lassen, bevor wir uns am späten Nachmittag bei Alis Schwiegereltern treffen. Ich schieße hier eine Menge Fotos, bevor die Zeremonie in der Hochzeitshalle beginnt. Wir fahren mit einem sehr langen Autokorso durch die Stadt. Das waren wohl alle Fahrzeuge aus dem beschaulichen Aytaroun. An der Halle angekommen, wird das Brautpaar mit Feuerwerk empfangen.
Zuerst betritt der Bräutigam, tanzend und durch Pauken begleitet, die Halle. Alles steht und die Nebelmaschinen und Wunderkerzen geben ihr Bestmögliches, um daraus ein Spektakel zu veranstalten. Wahnsinn! Die Musiker trommeln auf ihren Pauken, springen, tanzen, singen. Danach kommt die Braut über einen zweiten Eingang.
Noch lauter und mit noch mehr Feuerwerk wird sie von Ali, den Musikern und Tänzern abgeholt. Ein überdimensionaler Kamerakran schwebt über mir und filmt, während ich versuche mich nicht von diesem Spektakel ablenken zu lassen. Ich muss hier kurz einfügen, dass ich 15 Jahre lang jeden Samstag auf türkischen Hochzeiten selbst Musik gespielt habe, aber wie die Libanesen hier direkt loslegen, habe ich noch nie gesehen.
Drei volle Stunden lang wurde hier getanzt, gelacht und vor allem geschwitzt. Es ist höllisch heiß hier drin. Die einzige Pause gibt es, während die Torte kommt. Und ich sag es euch: Ein drei Meter hohes (ungelogen!) Cremè-Monster wird vorgefahren. Es sind aber auch genug Menschen anwesend, die dieses Prachtexemplar innerhalb kürzester Zeit wieder verschwinden lassen.
Meine Speicherkarten glühen und ich schieße unglaubliche Bilder einer Hochzeit, wie ich noch keine zuvor erlebt habe. Gegen Mitternacht setzen wir uns erschöpft ins Auto und fahren wieder zurück.
Jehad und ich machen uns am darauffolgenden Tag los nach Beirut. Mein Flieger startet am Dienstag und wir wollen die letzten Stunden in der Hauptstadt verbringen. Auf der Suche nach einem Taxi, das uns nach Sour fährt, von wo wir dann weiter mit dem Bus fahren, haben wir uns für den scheinbar gemütlichsten Mercedes entschieden. Wir fahren aber erst los, als der Wagen ganz voll ist.
Zwei ältere Frauen setzen sich zu Jehad nach hinten und wir machen uns auf den Weg. Die Fahrt endet allerdings nach fünf Minuten, als das Automatikgetriebe keinen Gang mehr einlegen will. Etwas irritiert sitzen wir im Auto und der Taxifahrer steuert das Wagen langsam an einen hohen Bordstein, der dann als Bremsklotz dient. Der Fahrer steigt aus und bockt das Auto mit dem Wagenheber auf einer Seite hoch, hämmert mit einer Eisenstange, unter dem Mercedes' liegend, gegen das Getriebe.
Ohne Erfolg. Und ja, wir sitzen dabei alle noch im Inneren des Wagens. Absurd.
Wir warten eine halbe Stunde, bis ein Kollege mit einem anderen Mercedes auftaucht. Der sieht leider deutlich schlechter und ungemütlicher aus, aber dafür fährt er.
In Beirut angekommen freue ich mich auf meine Dusche im Hotel, die aber nur salziges Wasser aus den Leitungen bringt. Wieder eine neue libanesische Erfahrung, die ich gemacht habe.
Wir verbringen den Tag über in der Stadt, gehen Essen, bevor ich wieder mit dem Nachtflieger zurückfliege.
Weitere Fotos und Eindrücke aus dem Libanon
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Ich bin hauptberuflich Fotograf. Da ich auch das Reisen liebe, nehme ich euch hier mit auf meine Trips!
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1 KOMMENTARBernd Lorenz
4. Mai 2018 um 20:22 UhrSuper geschrieben, bin gerade selber in Sour und kann die beschrieben Erlebnisse durch ähnliche eigene bestätigen.