Erfahrungsbericht: Mit dem Expeditionsschiff durch die Fjorde Patagoniens
Patagonien ist für viele der Sehnsuchtsort am Ende der Welt. Auch ich hatte lange den Wunsch, hierher zukommen, dieses wilde Land zwischen Atlantik und Pazifik zu bereisen.
Hier gibt es Jahrtausend alte Regenwälder, riesige Gletscher, zerklüftete Bergmassive mit Wasserfällen, eine weite Pampa, geheimnisvolle Fjorde und zwischendurch immer wieder Regenbögen zu bestaunen.
Genau diese Fjorde wollte ich in Patagonien erkunden. Mit dem Auto kommst du hier nicht hin, dafür mit einem von zwei Expeditionsschiffen vom einzigen Anbieter Australis (Angebote hier ansehen).
So geschah es, dass wir das Ende unserer 5-wöchigen Reise (Chile-ArgentinienReisebericht ansehen) auf dem Schiff verbrachten. Fünf Tage (4 Nächte) schipperten wir durch die Fjorde Patagoniens: von Ushuaia (Feuerland, Argentinien) über Kap Hoorn nach Punta Arenas (Patagonien, Chile).
Was wir hier erlebten waren nicht nur atemberaubende Landschaften und ein ruhiges Meer, es gab auch heftige Winde und einen kräftigen Seegang. Die Meeresströmungen sind besonders bei Kap Horn tückisch und genau das macht diese Expeditionskreuzfahrt so besonders.
Unsere Route
- Tag 1: Von Ushuaia bis Kap Horn
- Tag 2: Kap Hoorn und die Wulaia-Bucht
- Tag 3: Pía-Gletscher – Garibaldi-Gletscher
- Tag 4: Agostini Sund - Águila-Gletscher und Cóndor Gletscher
- Tag 5: Magellan-Pinguine auf der Isla de Magdalena und Ausschiffen in Punta Arenas
Tag 1: Von Ushuaia bis Kap Horn
Unser Abenteuer starten wir in Ushuaia. „El Fin del Mundo“ - das Ende der Welt, wie die kleine Stadt am südlichsten Ende Argentiniens wirbt. Auch geworben wird hier damit, dass ab Ushuaia die meiste Expeditionsfahren in die Antarktis starten. Das wundert mich nicht, den nirgendwo kann man so nah an der Antarktis sein wie hier (knapp 1000 km wie die Pinguine im Ort den Weg weisen). Nur die brutale Drake Passage und 2-3 Reisetage trennt Ushuaia von der Antarktis.
Als wir am Hafen ankommen, verhält es sich so, dass von sechs Forschungsschiffen, die im Hafen liegen fünf mit Ziel Antarktis ablegen. Lediglich unsere Ventus Australis hat eine andere Route: die abgelegenen Fjorde und Gletscher Patagoniens. Es regnet in Strömen und dunkle Regenwolken hängen über den Bergen Feuerlands.
Wir gehen an Bord der Ventus Australis
Darum begeben wir nach Passieren des Zolls schnell ins Innere des Schiffs. Wir werden von der Crew begrüßt und checken ein, geben unseren Pass ab (ist normal auf Schiffen, da wir die Grenze zwischen Argentinien und Chile passieren) und beziehen unsere Kabine auf Deck 2 des noch nicht einmal ein Jahr alten Schiffes.
Die Kabine ist sehr geräumig, hell und übergroße Panoramafenster runden das Ambiente ab. Sogar das Bad ist - im Verhältnis anderer Kreuzfahrtschiffe - recht groß. Ich bin begeistert und froh, dass ich das Bett am Fenster beziehen darf.
Lange halten wir uns hier nicht auf, denn an Deck erhaschen wir letzte Blicke auf das mit schwarzen Wolken verhangene Ushuaia und den Tierra del Fuego Parque Nacional.
Der Regen stoppt und die Sonne erwärmt mit ihren letzten Strahlen des Tages die kühle Luft. Wir kommen sogar noch in den Genuss eines Regenbogen, der komplett über den Horizont reicht und im Meer versinkt. Was ein Abschied von Argentinien!
Wir begeben uns zur Sky Bar, wo der Kapitän die Gäste an Bord begrüßt. Er erläutert die Route und was uns die nächsten Tage erwartet, ehe er sich verabschiedet und das wir ablegen.
Als wir auslaufen geht langsam die Sonne unter. Wir lassen die leuchtenden Lichter von Ushuaia hinter uns mit Kurs auf das legendäre Kap Hoorn.
Beim 3-gängigen Abendessen mit chilenischem Wein unseren neuen Tischnachbarn dreht sich alles um ein Thema: Können wir am nächsten Morgen in Kap Hoorn an Land gehen? Wir wissen es nicht. Die Wettervorhersage ist gut, aber was vermag eine Vorhersage für Kap Hoorn schon auszusagen?
Als ich im Bett liege verlassen wir den Beagle Kanal und nehmen Kurs auf Kap Hoorn. In der Ferne leuchten ganz klein die Lichter Ushuaias. Das Meer scheint ruhig, dass ich auf einem Schiff bin merke ich kaum.
Doch auch das ist ein Irrglaube, denn das Wetter wechselt schnell, …
Tag 2: Kap Hoorn und die Wulaia-Bucht
Plötzlich sitze ich senkrecht im Bett. Wo bin ich und warum ist es so laut? Wellen peitschen gegen den Bug des mittlerweile gar nicht mehr ruhigen Meeres. Wir sind in einem Sturm, der Wind lässt das Schiff auf- und abwärts schaukeln. Es ist erst 0.30 Uhr.
Zwar sind die Wellen nur 2-3 Meter hoch, der Wind peitscht aber mit 100 km/h übers Meer. Dadurch wird das Schiff hin und her geworfen. Auch Susi sitzt im Bett neben mir mit kleinen Augen senkrecht. Müde stellt sie fest: „Die Drake Passage ist auch nicht viel schlimmer!“ - Na super, denke ich. Dann ab in die Antarktis.
Gegen 3.30 Uhr wird es langsam hell. Dass ich den frühen Sonnenaufgang am Panoramafenster gleich in der ersten Nacht (unfreiwillig) erlebe hätte ich nicht gedacht.
Als nach einer gefühlt schlaflosen Nacht (ich setze mich immer wieder auf um aufs Meer zu starren) der Wecker um 6 Uhr klingelt springe ich erleichtert auf! Kaffee und Sandwiches liegen bereit.
Kap Hoorn ist nah
Mein eigentliches Highlight der Reise. Wer träumt nicht davon, einmal im Leben am berüchtigten Kap Hoorn an Land zu gehen? Cabo de Hornos klingt nach Abenteuer. Oder ist es einfach nur die Vorstellung an einem weit entfernten außergewöhnlichen Ort angekommen zu sein?
Träume vieler Seefahrer und Abenteurern sind hier geplatzt. Nicht umsonst gelten die Gewässer als der größte Schiffsfriedhof der Welt. Über 800 Schiffe sollen hier schon gesunken oder gegen die Klippen der Insel gekracht sein. Über 10.000 Seeleute kamen dabei ums Leben.
Der Platz auf Seekarten reicht kaum aus, um alle Schiffswracks abzubilden.
Denn alle sind darauf markiert. Angst habe ich nicht, die Neugier überwiegt. Wie fühlt es sich an, am südlichsten Stück Erde der Welt an Land zu gehen?
Susi, meine Reiseblogger Freundin und Begleiterin hatte schon bei zwei Besuchen Pech. Beim dritten Versuch sollte es doch endlich klappen!?
Also schnappen wir uns Schwimmweste, Kamera und ziehen uns warm an. Wir wären bereit!
Kap Hoorn, wir wären bereit für den Landgang!
Gegen 7 Uhr ankern wir vor der Bucht vor Kap Hoorn, an der wir eventuell anlanden können. Das Wasser scheint ruhig, die Sonne scheint und glitzert über dem Albatross-Denkmal mit einem erkennbaren Riss in der Mitte: Das ist Kap Hoorn.
Ich erkenne einen kleinen Strand und eine lange steile Treppe nach oben. Am Ende steht ein kleines Häuschen, auf dessen Seite eine große chilenische Flagge gemalt ist. Dahinter befindet sich der Leuchtturm und ein kleines Haus, in dem der Leuchtturmwärter samt Familie untergebracht sind. Zum Denkmal rechter Hand führt ein Holzsteg. Ob wir diesen betreten werden?
Das ersten Zodiac wird abgelassen. Zumindest beim Versuch beobachte ich die Crew. Als diese abbricht und das Zodiac zurück an Bord holt ist mir klar: Ein erster Versuch nach Kap Horn zu gelangen ist gescheitert.
Kurz darauf erklingt die Durchsage, dass der Wind zwar okay, die Wellen mit 2 Meter Höhe aber zu hoch sind um ins Zodiac zu gelangen. Wir warten erstmal ab, machen Fotos und ich schaue mir die Inseln um Kap Hoorn genauer an.
Habe ich es mir so vorgestellt? In meinem Kopf war es nur eine und nicht zahlreiche kleine Inseln. Den Kap Hoorn besteht aus einem Insel-Archipel und ist als Nationalpark geschützt. Die Inseln bestehen teilweise aus schroffen Steilwänden und sind mit einem saftig grünen Gras bewachsen.
Das Meer leuchtet türkis und plötzlich steckt ein Pinguin seinen Kopf aus dem Wasser um genauso schnell wieder zu verschwinden.
Was viele nicht wissen: Kap Hoorn (oder: Cape Horn/Cabo de Hornos) ist ein Insel-Archipel und Nationalpark, und mit etwas Glück kann man auf der südlichsten Insel, dem eigentlichen Kap, anlanden.
Um 8.15 Uhr haben wir Gewissheit: Der Versuch anzulanden ist gescheitert. Die Wellen sind zu hoch. Außerdem naht aus Süden eine schwarze Wand. Gewitter. Wir legen ab und nehmen Kurz auf unser Nächstes Ziel: Wulaia Bucht.
Nach einem Frühstück legen wir uns nochmals in Bett, um zumindest ein wenig des Schlafdefizits aufzuholen.
Zu Besuch auf der Brücke beim Kapitän der Ventus Australis
Um 12 Uhr bekommen wir die Möglichkeit den Kapitän und seine Crew auf der Brücke zu besuchen. Natürlich nehme wir diese Möglichkeit wahr. Wir sehen die noch frische Seekarte für Kap Hoorn, auf der die Zahlen und Berechnungen per Bleistift eingetragen sind.
Denn wer Kap Hoorn umschifft verlässt sich nicht auf moderne Technik: Die Navigation erfolgt händisch und manuell.
Wir nutzen die Zeit bis Erreichen der Wulaia Bucht und erholen uns noch ein wenig von der kurzen Nacht.
Wulaia Bucht, Wanderung mit Aussicht
Gegen 15 Uhr erreichen wir diegeschichtsträchtige Wulaia-Bucht. Das Meer liegt ruhig vor uns, eine Anlandung mit Zodiacs sollte dieses Mal kein Problem sein.
Die Caleta Wulaia (Caleta ist spanisch für Bucht) ist ein historisch sehr wichtiger Ort, denn hier befand sich einst die größte Siedlung der Ureinwohner Tierra del Fuegos, den Yámana-Indianern (Auch Yagan oder Yaghan genannt). Charles Darwin ging während seiner Reise an Bord der HMS Beagle mit Kapitän Fitz Roy im Jahr 1833 an Land. Darwins Aufgabe bestand damals darin, die Region zu kartographieren und zu erforschen.
Fitz Roy versuchte unter anderen, die Yámana-Indianer zu Missionieren, auf sie wurde damals gnadenlos Jagd gemacht. Wer nicht durch Kampf starb wurde von einer der eingeschleppten Krankheiten getötet. Heute sind die Yagan ausgestorben. Das Kapitel ist ein sehr düsteres der Chilenischen Geschichte, das gerne verschwiegen wird.
Heute noch zu sehen ist dafür eine verlassene Radiostation des chilenischen Militärs. Diese hat Australis übernommen und darin ein kleines Informationszentrum zur Geschichte der Yagan und der Forschern eingerichtet.
Nachgebaute Yagan-Zelte hinter dem Museum können ebenso begutachtet werden.
Doch wir begeben uns erst auf eine kleine nicht sehr anspruchsvolle Wanderung bergauf (Dauer ca. 1 Stunde). Nach 14 Tagen wandern in Patagonien machen uns diese Art Anstiege keine Probleme. Durch den Wald gehen wir bis zu einem Aussichtspunkt mit Ausblick auf die Ventus Australis und die Wulaia-Bucht.
Auf dem Weg nach oben zeigt man uns die Pflanzen und Früchte sowie die nur hier vorkommenden Scheinbuche, Magellanische immergrüne Buche und die Antarktische Scheinbuche. Wir befinden uns in einem Subantarktischen Regenwald. Die Region gehört zur Darwinschen Gebirgskette der Anden, das von einem 150 km langen Eisfeld eingeschlossen ist.
Im südlichen Patagonien trifft Magellanische Tundra auf Magellanischer Urwald und Magellanischer Regenwald, also drei Klimazonen. Klingt ganz schön eindrucksvoll auf uns.
Außerdem hören wir zum wiederholten Mal die Geschichte der Calafate Beeren: Wer diese einmal isst, kommt nochmals zurück. Wir werden es sehen.
Am Ende gibt es eine wärme heiße Schokolade, auf Wunsch mit Whiskey. ¡Salute!
Nach dem wieder 3-gängigen Abendessen und heute chilenischen Wein schauen wir uns einen Dokumentationsfilm über die Tierwelt auf Feuerland an. Danach fallen wir müde ins Bett.
Tag 3: Pía-Gletscher – Garibaldi-Gletscher
Heute stehen die Besuche gleich zweier Gletscher an: Pía-Gletscher und Garibaldi-Gletscher. Schon auf dem Weg zu diesen passieren wir die sogenannte „Allee der Gletscher“ - doch als um 6 Uhr der Wecker dazu klingelt und ich aus dem Panoramafenster blicke sehe ich vor allem eins: Nebel und Dunst. Die Augen sind schwer und somit bleibe ich liegen.
Später kreuzen wir den Hauptarm des Beagle-Kanals und fahren in die Pía-Bucht hinein. Vereinzelte Eisbrocken schwimmen an uns vorbei. Noch vor dem Frühstück gehen wir aufs oberste Deck und die Einfahrt zu beobachten.
Am gleichnamigen Pía-Gletscher gehen wir danach an Land. Wir werden mit Zodiacs übergesetzt und beginnen einen einstündigen Aufstieg (ich würde es nicht als Wanderung bezeichnen) zu mehreren Aussichtspunkten und sehen das Fjord sowie den Pía-Gletscher aus unterschiedlichen Perspektiven.
Der Weg ist matschig und ein wenig steil. Da der Aufstieg kurz ist ist er für jeden machbar (man beachte dass wir die schwierigste Stufe gewählt haben, es scheint als seien die durchschnittlichen Gäste an Bord nicht die sportlichsten).
Oben angekommen werden wir mit einer hervorragenden Sicht auf den Gletscher, der sich bis ins Meer hinein schiebt, belohnt. Wir sehen weit unter uns das Schiff ganz klein zwischen Eisbrocken ankern.
Wir erleben unseren "Patagonia Moment"
Um die Natur und dem knacken des Gletschers zu lauschen legen wir einen „Patagonia Moment“ wie es Guide Auguste nennt ein: Wir schweigen für eine Minute und bewegen uns nicht. Denn unsere Outdoor-Klamotten (die meisten tragen Regenhosen) machen raschelnde Geräusche sobald man sich bewegt.
Danach klettere noch einen kleinen Felsen nach oben und habe dann auch auf die Rückseite des Berges einen Ausblick auf eine Gletscherlagune.
Jetzt müssen wir langsam zurück, nicht aber ohne einen weiteren Stop am Fuße des Gletschers auf Wasserhöhe einzulegen. Ich sitze da und genieße. So gehören wir zu den letzten, die wieder zurück an Bord gehen.
Nächster Stop: Garibaldi-Gletscher
Am Nachmittag nehmen wir Kurs auf den Garibaldi-Fjord an der Südküste des Feuerlandes. Links und rechts von uns leuchtet ein beeindruckender alter Regenwald in den schönsten Grün- und Gelbtönen. Zwischendrin stürzen Wasserfälle in die Tiefe.
Hier könnten wir an einer Wanderung im Regenwald Patagoniens teilnehmen, müssten dafür aber ohne einen Blick auf den Gletscher zu erhaschen von Bord gehen. Wir entscheiden uns dagegen, zu faszinierend sind diese Gletscher für mich.
Das beste daran: Der Kapitän steuert den Garibaldi-Gletscher nicht nur an, wir fahren auch sehr nah an dessen Kalbungszunge heran. Vom Außendeck können wir so diese Fahrt genießen und haben dabei den allerbesten Blick auf den Garibaldi-Gletscher.
Die Kalbungszone wirken wie eine Wand aus Eis, wenn man nahe herankommt. Immer wieder bin ich während meiner langen Reise vor diesen Riesen gewesen und habe gestaunt. So auch hier.
Ich bin wie im Bann und kann nicht wegsehen. Es könnte jede Sekunde ein größeres Stück des Gletschers abbrechen und dieses Schauspiel möchte ich sehen. Satt sehen kann man sich daran nicht. Jedes mal wenn es kracht und Eis mit lautem Getöse ins Meer stürzt erstarre ich und vergesse den Auslöser zu drücken. Diese Erinnerungen nehme ich trotzdem mit nach Hause.
Irgendwann ist es leider soweit: Wir drehen und verlassen das Garibaldi-Fjord.
Die Zeit zum Abendessen überbrücken wir mit einer erneut interessanten Präsentation über die Magellanstraße. Die Geschichte der Erkundung interessiert mich wirklich und so mache ich fleißig Notizen zu Suchtipps die man uns gibt.
Nach dem Abendessen wollen wir noch nicht ins Bett und sehen uns eine Dokumentation über Südgeorgien an. Was jetzt zur Folge hat, dass ich nicht nur in die Antarktis möchte, sondern gleich die „Extended-Version“ mit Südgeorgien unternehmen will. Ich fange schonmal an zu sparen …
Tag 4: Agostini Sund - Águila-Gletscher und Cóndor Gletscher
Am frühen Morgen fahren wir durch den Cockburn-Kanal und biegen in den Agostini- Sund ein. Von hier sehen wir Gletscher, die dem Zentrum der Darwin Cordilliere entspringen. Viele davon reichen bis ins Meer.
Wir haben den Agostini-Nationalpark erreicht. Doch die landschaftliche Schönheit der Berge und Gletschern wird größtenteils von Wolken und strömendem Regen verdeckt.
Nach einem schnellen Frühstück heißt es dann: Regenhose, Wind- und Regenjacke, Schal und Mütze anziehen, Schwimmweste packen und ab ans Deck, um auf die Einteilung in Zodiacs zu warten. Es hat 5 Grad, das ist für das südlichste Patagonien und Feuerland nicht einmal so kalt.
Als wir an Land gehen starten wir zu einer kleinen Wanderung entlang der Lagune des Águila-Gletschers. Der Gletscher liegt in dichtem Nebel. Ob sich das Wetter bessert?
Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich eine Mischung aus Algen- und Regenwald. Doch diesen wenden wir den Rücken zu.
Die Wanderung ist kurz und gemächlich, und um unseren „Patagonia Moment“ erneut zu erleben, machen wir einen kleinen Umweg durch einen uralten Regenwald, den bis heute vermutlich sehr wenige Menschen betreten haben.
Als wir den mit Moos bewachsenen dichten Wald verlassen ist ein nur noch ein kurzes Stück, bis wir dem Gletscher gegenüber stehen. Der Regen wird weniger und so kann ich ohne mir ständig mein Objektiv putzen zu müssen ein paar Bilder des wolkenverhangenen Águila-Gletschers machen.
Als wir zurück zum Boot gehen verziehen sich die Wolken für einen kurzen Moment. Der Gletscher spiegelt sich eindrucksvoll in der Lagune und dank düsterem Wetter wirkt alles ein wenig mystisch.
Unser letzter Gletscher der Reise: Cóndor Gletscher
Nach Mittagessen und einer Präsentation über Magellanische Pinguine und ihrem Zuhause der Isla Magdalena (welche wir morgen besuchen werden) sind wir am Nachmittag bereit für den letzten Gletscher der Reise.
In den Zodiac-Booten fahren wir diesmal direkt an die Gletscherzunge des Cóndor-Gletschers am Ende des Fjords. So nah mit einem kleinen Boot kommt man selten, denn dieses Unterfangen ist nicht ganz ungefährlich.
Der Gletscher sollte nicht zu aktiv sein und am besten sollte während unseres Aufenthalts kein größeres Stück Eis abkalben (so nennt man das Abbrechen von Eis). Denn dies könnte eine größere Flutwelle auslösen und wir wären in den Zodiacs nicht mehr ganz so sicher. Das Wasser ist bitterkalt, ein Sturz hinein wünscht sich niemand.
Aber genau das wollen wir: Große Stücke Eis, die laut tosend ins Wasser stürzen. Der Cóndor-Gletscher tut uns den Gefallen leider nicht (es sind immer nur kleine Eisstücke die abbrechen), aber wieder stelle ich fest, wie sehr mich diese Gletscher faszinieren. Die Strukturen des Eis, die Spalten und die unterschiedlichen Farbtöne in denen das Eis erstrahlt sind wundervoll.
Der Gletscher wurde übrigens nach den Anden Kondoren benannte die an den steilen Felswänden des Fjords nisten und ausharren, wenn sie nicht auf der Jagd sind. Da es immer noch regnet bekommen wir leider keines dieser beeindruckenden Tiere zu sehen.
Ein bisschen traurig und wehmütig bin ich, als wir abdrehen und das Fjord Richtung Ventus Australis verlassen. Es wird unser letzter Abend des Expeditionsschiff sein.
Abschieds-Dinner an Bord
Der Kapitän hält eine Abschiedsrede, die Seekarte für Kap Hoorn wird unter den Passagieren versteigert und der Kapitän lädt zum Captain-Dinner.
Als wir uns darauf vorbereiten zieht wie aus dem Nichts ein Sturm auf. Wir sind zurück auf der Magellanstraße und diese macht ihrem berüchtigten Namen alle Ehre. Das Außendeck und Bars werden geschlossen, Gläser purzeln klirrend von Tischen und überhaupt sollte man sich nur übers Schiff bewegen, wenn mindestens eine Hand am Geländer ist. Man kommt sich vor wie ein torkelnder Betrunkener.
Ich selbst liege während dieser „Action“ auf meinem Bett und schaue bei auf- und abschauenden Bewegungen des Schiffs aus dem Panoramafenster, gegen das immer wieder Wellen und Wasserfontänen krachen. Was außerhalb unserer Kabine passiert, erzählt mir Susi ganz aufgeregt, als sie sich aufgeregt zu mir vors Panoramafenster gesellt. Da ich kein Problem damit habe seekrank zu werden finde ich dieses Auf und Ab sehr lustig (außer Nachts, denn da würde auch ich gerne schlafen, haha).
Zum ersten Mal dieser 5-tägigen Reise reist kurz vor Sonnenuntergang die Wolkendecke auf und wir erleben einen der schönsten und kitschigsten Sonnenuntergänge die ihr euch vorstellen könnt. Es ist mittlerweile nach 22 Uhr und wehmütig nehmen wir schon jetzt Abschied von diesem wunderschönen Fleck Erde.
Tag 5: Magellan-Pinguine auf der Isla de Magdalena und Ausschiffen in Punta Arenas
Heute heißt es noch einmal früh aufstehen. Aber für mich heute kein Problem, denn es geht zu meinen Lieblingstieren, den Pinguinen!
Ich bin schon sehr aufgeregt und stehe schon vor 7 Uhr mit Kamera und Rettungsweste im Arm an Deck und warte auf den Landgang per Zodiac.
Die Wetterverhältnisse sind gut und das bedeutet: Wir können los!
Die Insel in der Magellanstraße bietet einer riesigen Kolonie von Magellan-Pinguinen ein Zuhause. Bei einem Spaziergang über einen markierten Rundweg können wir diese beobachten.
„Pinguine haben hier immer Vorrang!“ - das ist das Motto und so starten wir jeder für sich seinen Besuch
„Immer Abstand halten und zum fotografieren nicht auf den Boden legen, denn die Pinguine haben Flöhe!“. Huch, ich habe bereits in Südafrika mehrfach deren Artgenossen besucht aber noch nie kam ich auf die Idee dass diese süßen Tiere von Flöhen befallen sein könnten. Ich verdränge dieses Detail und knie mich trotzdem auf den Weg um auf Augenhöhe die Pinguine beobachten zu können.
Denn: Wir haben maximal eine Stunde Zeit mit den süßen Tierchen. Zieht ein Sturm auf (was hier häufig passiert), müssen wir schleunigst zurück zum Steg und zurück an Bord des Schiffs. Die Zeit ist wie immer nicht ausreichend. Das ist es nie, egal ob bei Pinguinen, Gorillas oder Safaris in Afrika.
Ich liebe es die Pinguine beim vorbei watscheln, plantschen und chillen zu beobachten. Sie sind einfach zuckersüß.
Erschreckend ist leider auch hier (wie auch bei den Artgenossen in Südafrika), dass ihre Nummern schnell sinken. Sie sind vom Aussterben bedroht.
Stundenlang könnte ich Pinguinen beim watscheln, wurschteln, Nest bauen, balzen, brüten, baden, stolpern und trompeten zusehen.
Doch es kommt wie es kommen muss, nach fast einer Stunde erfolgt die Anweisung, zurück an Bord zu gehen. Der Wind wird stärker. Mir wird bewusst, dass dies mein letztes Highlight zweier wunderschöner Länder war. Ich weiß, dass ich wiederkommen werde.
Doch so ganz abrupt sollte unsere Reise dann doch nicht enden.
Ausschiffen in Punta Arenas, oder: In Patagonien ist das Zeitgefühl ein anderes. Pläne zu machen ist schwer, denn es kann immer anders kommen.
Knapp zwei Stunden später und viel früher als geplant erreichen wir Punta Arenas. Doch als wir schon aufstehen und die letzten Dinge packen wollen erreicht uns die Durchsage: Wir können nicht in den Hafen einfahren. Der Grund? Der Wind und die Strömung ist zu stark.
Bitte was? In meinen Augen ist die See ruhig, die Sonne scheint und auch sonst, ist mein Gefühl mal wieder ganz anders als das von erfahrenen Seefahrern an Bord. "Katrin, geh mal nach draußen, dann wirst du den Wind spüren". Gesagt, getan.
Ich komme nicht weit, denn sobald ich mich in den Wind stelle werde ich zurückgedrückt. Wow, was eine Wucht. Ich sehe ein, dass die Winde viel zu stark sind. Ein Einlaufen in den Hafen ist somit fürs Erste gescheitert.
Wir bekommen Lotsen und zwei Schlepperboote zur Hilfe, die uns gegen die Wind-Wand Richtung Hafen schieben sollen. Auch das schlägt fürs erste fehl. Mittlerweile ist Zeit zum Mittagessen und die Küchen-Crew zaubert ein ungeplantes Mal für uns Passagiere.
Nach weiteren Stunden (es ist bereits 15.30 Uhr) laufen wir endlich in den Hafen ein und ankern in Punta Arenas. Ein Glück, dass wir unseren Rückflug nach Santiago de Chile erst am Abend gebucht haben. Vom freien Mittag in Punta Arenas wird nichts, denn wir fahren so schnell wie möglich zum Flughafen, wo wir andere Passagiere antreffen, die ihren ersten Flug verpasst hatten.
Heute sind wir wieder um eine aufregende und spannende Erfahrung reicher geworden! Und genau darum reise ich so gerne.
Weitere Tipps und Infos zur Kreuzfahrt
Expeditiosfahrt in Patagonien & Feuerland
- Cruceros Australis ist der einzige Anbieter für 5-tägige Expeditionsfahren durch as südliche Patagonien und Feuerland. Es gibt zwei Routen, die von zwei Schiffen befahren werden: Stella Australis und das neue Schwesternschiff Ventus Australis, auf welchem wir die Tour unternommen haben.
- Laut eigenen Angaben hält Australis die national und international geltenden Vorschriften zum Umweltschutz ein.
- Die meisten Passagiere sind schon etwas älter, es waren aber überraschend viele Leute zwischen 30 - 50 an Bord.
- Täglich gibt es zwei Exkursionen, Vorträge und Dokumentationen.
- Schwierigkeit der Exkursionen: Da überwiegend "ältere Menschen" an Bord sind solltet ihr euch nicht von "challenging" Exkursionen abhalten lassen. Ihr könnt getrost den schwierigen Level wählen. Für mich waren diese nicht mal moderat einzustufen. Jeder der keine Gebrechen hat oder eingeschränkt ist kann das, da bin ich überzeugt.
- Kleidung: Dank Expeditionskreuzfahrt leger und locker. Es bietet sich wie im restlichen Chile und Argentinien der Zwiebel-Look an.
- Ihr habt während der Reise keinen Handy Empfang. Abschalten ist angesagt.
- Reisekrankheit / Seekrank: Ich selbst kenne mich damit überhaupt nicht aus, denn Probleme habe ich damit glücklicherweise noch nie gehabt. Auch wenn man die ganze Zeit in scheinbar ruhigem und geschütztem Gewässer unterwegs ist sollte man die Fahrt nach Kap Hoorn nicht unterschätzen. Nehmt prophylaktisch Tabletten oder Pflaster gegen Reisekrankheit mit. Denn wenn ihr einmal seekrank seid ist es meist zu spät etwas dagegen zu tun.
- Reiseführer zur Kreuzfahrt gibt es keinen, das Ziel ist zu speziell. Falls ihr eine Reise in Chile oder Argentinien davor oder danach unternehmen möchtet, kann ich euch die Reisehandbücher von Dumont für Chile und Argentinien empfehlen.
Beste Reisezeit für Patagonien und Feuerland
Die beste Reisezeit sind im patagonischen Sommer von November bis März. Aber auch dann herrscht das typisch patagonische Wetter und ihr könnt vier Jahreszeiten an einem Tag oder sogar einer Stunde erleben.
Seid auf alles gefasst und bringt außer warmer Kleidung auch Regenhose und Regenjacke (am besten eine Windjacke die wasserdicht ist) mit.
Wir haben die Kreuzfahrt durch die Fjorde Patagoniens und Feuerlands Anfang Dezember und am Ende unserer 5-wöchigen Chile-Argentinien Reise unternommen.
Hatten wir die ersten vier Wochen eine Glückssträhne mit dem Wetter, wechselte das Wetter zur Kreuzfahrt und wir sahen leider selten die Sonne und den blauen Himmel. Aber auch das macht diese Reise besonders.
Hast du Tipps für eine Expeditionskreuzfahrt, Feuerland oder Patagonien? Hast du weitere Fragen?
Bist du schon mal hier gewesen und hast weitere Tipps? Dann freuen wir uns auf einen Kommentar unter diesem Text.
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Disclaimer: Ein großes Dankeschön an Australis für diese wunderbare Reise – meine Meinung ist natürlich und trotzdem meine eigene.
Hi ich bin Katrin!
Ich bin Katrin, viel unterwegs und echte Reise-Expertin! Mit Campervan oder Rucksack möchte ich die ganze Welt entdecken. Um meine Erfahrungen & Erlebnisse mit dir zu teilen, habe ich diesen Reiseblog gegründet!
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Das sagen unsere Leser
5 KOMMENTAREMartin Braun
27. Mai 2022 um 12:44 UhrHallo Katrin,
Wir planen für ende November diesen Trip.
Danke für die tollen Bilder. Könntest Du mir vielleicht Bitte verraten, welche Kabine ihr gebucht habt, oder besser gesagt, welche Kabine auf dem Bild abgebildet ist?
Aktuell hauen die eine gute Promo (USD 1000 in 2er Belegung) bis 31.05.2022 noch raus und diese würde ich gerne nutzen.
Ihr habt ja in Ushuaia eingecheckt und in Punta Arenas wieder ausgestiegen. Wart ihr mit dem Bus nach Ushuaia unterwegs?
Danke für die Antwort.
Katrin Lehr
28. Mai 2022 um 21:47 UhrHallo Martin,
ja, wir sind mit dem Bus (aus Punta Arenas) nach Ushuaia gereist und haben dort noch 2 Tage verbracht (lohnt sich). Waren insgesamt 4 oder 5 Wochen in Chile und Argenitien unterwegs (Reisebericht hier). Ich meine, dass wir eine Twin-Kabine Standard hatten. Hat völlig ausgereicht, da wir sowieso nur zum Schlafen auf dem Zimmer waren.
Viel Spaß, ich bin ein wenig neidisch. Der Trip ist so schön!
Liebe Grüße Katrin
Christiane Jendrik
23. Februar 2023 um 22:18 UhrHallo Katrin!
Ich bin gerade in Ushuaia und habe in Erinnerung, dass du geschrieben hast, es gäbe hier Last Minute Angebote für Antartkisschiffsreisen. Gestern war ich am Hafen, aber ich habe keine gefunden. Kannst du dich noch daran erinnern, wo du sie gelesen hast?
Liebe Grüße und vielen Dank für deinen tollen Blog!
Christiane
Katrin Lehr
24. Februar 2023 um 08:42 UhrBei uns hingen die Aushänge an den Pfosten der Laternen und auch auf Mülleimern angeklebt. Schau mal in Reisebüros vor Ort. Da waren bei uns auch Aushänge. Vielleicht ist gerade auch Hauptreisezeit und sämtliche Touren sind ausverkauft (nach Corona haben sich viele Buchungen „angestaut“ – ich habe auch noch eine offen, die ich vor mich hin schiebe).
Viel Erfolg
Katrin
murtilla
13. März 2023 um 20:02 UhrHallo Katrin
schön beschrieben und tolle fotos von dieser schiffsreise. ja das wetter in patagonien hat an einem tag alle 4 jahreszeiten zu bieten.
eine kleine anmerkung habe ich noch. die calafate beeren sind dunkelblau, wie unsere blaubeeren. dein beeren foto zeigt die im chilenischen patagonien verbreitete gaultheria mucronata, auch pernettya mucronata genannt. die patagonier nennen sie chaura!
ich bin alle paar jahre am lago general carrera und in den fast menschenleeren tälern auf wanderschaft.