Wir unternehmen eine Graffiti-Tour in der Comuna 13 in Medellín, Kolumbien

Die Comuna 13 in Medellín galt lange Zeit als eines der gefährlichste Stadtteil der Welt. Heute ist von der dunklen, grausamen Vergangenheit des Ortes nicht mehr viel übrig. Im Rahmen der Medellín Graffiti Tour besuchte ich die Comuna 13 und machte mir ein eigenes Bild vom Wandel, den Medellín als Stadt und insbesondere dieser barrío in den letzten Jahren durchlaufen hat. So lernte ich ein ganz anderes Kolumbien als jenes, das viele Menschen damit assoziieren.

Graffiti-Tour: Unterwegs mit Hip-Hopper Juda in der Comuna 13

Früher: Comuna 13 in Medellín

„Vergesst, dass Ihr Touristen seid. Heute seid Ihr Teil der Comuna 13!“, lacht unser Guide Juda. Wir stehen mitten in einem der ärmeren Stadtteile Medellíns, überblicken bunt bemalte Wellblechdächer und mit kunstvollen Graffitis besprühte Häuserwände. Um uns herum spielen Kinder lachend Fußball, aus einem der Hauseingänge dröhnt ein alter DJ Bobo-Song aus den 90ern, frisch gewaschene Wäsche weht im lauen Lüftchen, der durch die steilen Berghänge hoch über der „Stadt des ewigen Frühlings“ zieht.

Noch vor fünfzehn Jahren hätte sich in diese Gegend Medellíns kein einziger Tourist verirrt, geschweige denn die Stadt an sich überhaupt besucht: skrupellose Drogenkartelle, Pablo Escobar, blutige Bandenkriege, blutiger Bürgerkrieg, trauriges Armutsviertel, höchste Mordrate der Welt … das sind die Bilder mit denen heute noch viele Ausländer Kolumbien und Medellín verbinden.

Doch in den letzten Jahren hat sich die Stadt neu erfunden und gilt heute als sicherste und innovativste Großstadt Südamerikas. Die Comuna 13, einst das ärmste und gleichzeitig gefährlichste Viertel, ist Sinnbild für den Wandel und die Lebensliebe, die die Kolumbianer versprühen und all jenen, die das Land besuchen, mit auf den Weg geben, geworden.

Seit dem Erfolg der Netflix-Serie „Narcos“ ist die dunkle Vergangenheit der zweitgrößten Stadt Kolumbiens allgegenwärtig. Vor meiner Reise wurde ich immer wieder mit großen Augen angeschaut: „Du willst nach Kolumbien? Ist das nicht gefährlich?“.

Nicht selten kommentierte der ein oder andere Leser auf meine letzten Instagram-Bilder: „Immer, wenn ich Deine Bilder sehe, denke ich an Escobar!“. Zeit, mit all den falschen Vorstellungen von einem der abwechslungsreichsten Länder der Welt aufzuräumen und Einblick in das heutige Leben in der Comuna 13 zu geben.

Dunkle Vergangenheit der Comuna 13

Auf den steilen Hängen im Westen Medellíns liegt die Comuna 13, die zu den am dichtesten besiedelten Gegenden der Stadt zählt. Enge Gassen schlängeln sich um tausende kleine terrakotta-farbene Häuser, die dicht an dicht stehen. Noch heute würden hier viele Einwohner Medellíns keinen Fuß reinsetzen. Zu jung sind noch die Schrecken der Vergangenheit.

Das Viertel liegt strategisch wichtig und gilt als Zugang für die Hauptroute zu den Häfen des PazifiksDrogen, Waffen, Geld, egal, was in die Stadt gelangte, es kam über die Comuna 13 nach Medellín. Kein Wunder, dass der barrío über Jahrzehnte das Schlüsselzentrum für Narcos, Gangs, Paramilitärs, Guerillas und die Regierung war. Wer die Oberhand über die Comuna 13 besaß, der hatte die Kontrolle. Die Machtgier wurde begleitet von Mord, Kidnapping, Einschüchterung, Gewalt und Tod.

In den 1980er herrschte hier das Medellín-Kartell unter der Führung von Pablo Escobar. Mörderische Auseinandersetzungen zwischen Drogenbanden rivalisierender Rauschgiftimperien waren an der Tagesordnung. Im Elendsviertel herrschten starke soziale Spannungen und Arbeitslosigkeit, die dem Kartell Nährboden zur Rekrutierung junger Männer, die im Auftrag des Kartells als Spitzel, Schmuggler, Dealer und sogenannter sicarios als Auftragskiller arbeiteten und das Viertel als Umschlagort für ihre Drogengeschäfte nutzten.

Nach dem Tod Escobars 1993 und der Zerschlagung des Kartells nahmen die Guerilla-Milizen die Gegend für sich ein. Die Mordrate stieg erneut, an ein friedliches Leben war nicht zu denken.

Im Oktober 2002 wendete sich das Blatt, als das kolumbianische Militär in mehreren blutigen Operationen zur „Säuberung“ des Viertels ansetzte. Über 4000 Polizisten, Soldaten und Paramilitärs durchkämmten, begleitet von zwei Black Hawk Hubschraubern, die Hänge auf der Suche nach Guerillos und deren Helfern. Allein bei der Operation Orión starben 13 Menschen, davon drei Kinder, und hunderte wurden verwundert, mehr als 200 Menschen verschwanden.

Insgesamt wurden mehr als 70 Menschen getötet, über 300 gelten weiterhin als vermisst, die meisten von ihnen Zivilisten. Auf unserer Tour erzählte uns Juda, dass das dabei größtenteils die Zivilisten betroffen waren. Die Guerillos hatten bereits Tage vor den Aktionen von dem Vorhaben der Regierung gehört und waren geflohen. Um ihr Handeln zu rechtfertigen, kam es zum Teil zu bizarren Taten der Soldaten. So wurden Zivilisten nachträglich Guerilla-Uniformen angezogen.

Mit den „Säuberungen“ gewann die Regierung wieder größeren Einfluss in der Comuna 13 und setzte sich als Ziel, die Gegend sicherer zu machen und die Nachbarschaft in das Stadtleben zu integrieren. So wurde das Viertel an das öffentliche Metro-System angeschlossen und Gondolas (Seilbahnen) und Rolltreppen erleichtern den Zugang über die Berghänge.

Als mehrere Kinder während einer der Säuberungs-Operationen der Regierung getötet wurden, hissten die Bewohner der Comuna 13 weiße “Flaggen”. Danach wurde die Aktion eingestellt. Die Elefanten auf dem Graffiti stehen symbolisch für die Trauer um die Getöteten.

Comuna 13 heute

Nichts von dem, was wir zum Beginn unserer Tour durch die Comuna 13 erfahren, will zu dem passen, was ich heute hier sehe: Die Bewohner haben keine Angst mehr, ihre Häuser zu verlassen. Das Leben spielt sich auf der Straße ab, es ist bunt und fröhlich. Kinder spielen Fußball, radeln lachend um uns herum, ein Bagger karrt Sand zur nahegelegenen Baustelle, wo der Weg den Berg weiter hoch verbessert wird. Frauen mit Kindern im Arm winken uns zu oder verkaufen Empanadas.

Es fühlte sich erst befremdlich an, sich bewusst unbefangen in der Comuna 13 zu bewegen. Selbst, wenn ich mit meinen Worten diese idyllisch anmutenden Bilder male, hört sich das alles sehr klischeehaft an. Doch wie Juda uns zu Beginn der Tour einlud, uns frei zu verhalten, so weltoffen und einladend kommen die Menschen auf uns zu. „Wir wünschen uns den Wandel und wir freuen uns über jeden Besucher, der hierherkommt“, erklärt der junge Mann, auf dessen Shirt in Versalien „COMUNA 13 MEDELÍN“ steht. Er gehört der Hip-Hop Gruppe Casa Kolacho an.

In den Jahren nach der „Säuberung“ etablierten sich viele Initiativen, die vor allem den Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven weit weg von Gewalt und Kriminalität bieten wollen. Jungs wie Juda sind die neuen Vorbilder innerhalb der Nachbarschaft. Er bringt interessierte Ausländer hierher, erzählt mit erschreckender Offenheit von den Gräueln, die er selbst miterlebte und ist selbst Teil der Transformation. Gemeinsam mit seiner Truppe bestehend aus 13 Mädels und Jungs veranstalten sie Graffiti-Workshops, geben Musikunterricht und veranstalten Konzerte.

„Los jetzt“, ruft Hula verschmitzt, als wir staunend vor einer Rutsche stehen. „Ihr habt die Wahl zwischen der Treppe oder der Rutsche, um den steilen Hang herunterzukommen. Wir nehmen immer die Rutsche“, feixt er. Die ganze Tour über versucht er uns begreiflich zu machen, wie es die Einwohner dieser Stadt geschafft haben, trotz all der Schrecken, die sie erlebt haben, lebensfroh zu bleiben.

Diese Lebensfreude und vor allem diese unbändige Liebe zum Leben erfahre ich in den letzten Wochen immer wieder in Medellín. Egal, an welcher Tour wir teilnehmen oder wenn wir mit Kolumbianern reden, überzeugen sie uns: „Uns ist egal, was geschehen ist, wir blicken nach vorne, wir lernen aus der Geschichte, wollen nicht, dass es sich wiederholt. Aber wir wissen, wir haben nur dieses eine Leben und so feiern wir die kleinen und großen Momente und genießen jeden einzeln!“ Diese Einstellung ist es, die sich in mein Herz geschlichen hat und für die ich den Menschen hier sehr viel Respekt und Hochachtung zolle. Noch vor 15 Jahren war an ein öffentlich-kulturelles Leben nicht zu denken, heute wird am Wochenende der Tag zur Nacht gemacht.

Wandel zum lebenswerten Viertel

Wie hat es die Comuna 13 geschafft vom Schauplatz des Horrors zu einem lebenswerten Stadtviertel zu werden?

Der Wandel vom Problembezirk der Stadt hin zu einem sicheren Stadtteil vollzieht sich nicht von gestern auf heute. Die Transformation wird noch Jahre dauern, es ist ein langwieriger Prozess. Doch eines wird bei unserem Besuch klar, sie sind auf einem guten Weg. Mehrere zum Teil von Stadt und Regierung finanzierte Projekte haben über die Jahre erfolgreich zur Rehabilitierung des Stadtteils beigetragen und das Leben der Menschen hier verbessert:

Erreichbarkeit & Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr

Eine der ersten großen Veränderungen war der Anschluss an die öffentliche Transportsysteme der Stadt. Heute führt die Linie B der Metro bis zur Haltestelle San Javier. Von hieraus fahren Busse und die Gondola in die höher gelegenen Hänge des Viertels. Die Comuna 13 ist ein sehr gut erreichbar Teil der Stadt.

Ein weiterer Meilenstein war die Einweihung der größten Freilufttreppe der Welt 2011: Die escaleras eléctricas. Mit einer gesamten Rolltreppenlänge von 348 Metern, die in sechs Abschnitte unterteilt ist, überwindet das orangenen Bauwerk einen Höhenunterschied von umgerechnet rund 28 Stockwerken und erleichtert Jung und Alt den Aufstieg zu den Unterkünften.

Street Art & Hip Hop

In den letzten Jahren haben sich viele kunstbasierte Bildungsinitiativen gegründet, die vor allem den Kindern eine neue Perspektive aufzeigen wollen, die weit weg von einer kriminellen Karriere liegt. Mit dem Fokus auf Street-Art, Fotografie und Hip-Hop finden Kinder und Jugendliche hier eine Anlaufstelle.

Community & Bildung

Mit der finanziellen Unterstützung von Regierung und Stadt konnten zahlreiche Bildungszentren geschaffen werden, die für die Menschen in San Javier leicht zugänglich gemacht werden. So steht direkt neben der Metrostation der Parque Biblioteca, der es Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien ermöglicht an Computer- und Weiterbildungskursen teilzunehmen, die Bibliothek zu nutzen, aber auch Fußball und Basketball im Park zu spielen. Mehrere Community Center wurden geschaffen, die vor allem für Frauen Anlaufstelle sind. So leben hier ein Viertel mehr weibliche Einwohnerinnen.

Mein Fazit zur Graffiti Tour in der Comuna 13

Noch immer wird in vielen Reiseführern davor gewarnt, die Comuna 13 zu besuchen. Sicherlich solltest Du Dich als Tourist hier nicht zu später Stunde aufhalten. Doch tagsüber hatten wir hier keinerlei Probleme. Uns begegnete ein Stadtteil im Aufschwung und positiven Wandel. Diese Transformation vollzieht sich langsam und wird sicher noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dabei geht es nicht nur darum außerhalb Kolumbiens ein Bild zu kreieren, das weit weg von Angst und Verzweiflung ist. Selbst innerhalb der Stadt und des Landes ist die Comuna 13 noch immer Sinnbild des Schreckens.

Zum Ende der Tour bittet uns Juda im Crew Haus von Casa Kolacho ein Wand mit unseren persönlichen Tags zu besprühen. Verhalten verewigt sich jeder von uns und zu guter Letzt sprüht er das Wort „Amor“ in die Mitte: „Das ist es worum es im Leben geht: Hier bei uns, genauso wie bei Euch Zuhause!“ Und so verlasse ich die Comuna 13 an diesem Abend mit vier wichtigen Learnings, die mich so schnell nicht loslassen werden, die mich wirklich tief berührt haben und die ich zum Teil jetzt schon lebe und mich in meiner Lebenseinstellung bestätigen:

  • Always stay a kid in your heart!
  • Remember your past and don’t let it happen again.
  • Color up your life!
  • Do things that makes you happy and do them with love!
Always stay a kid in your heart!

Graffiti-Tour buchen

Die Tour, die wir besucht haben, wird von der Casa Kolacho als Graffiti Tour täglich angeboten. Alle Informationen dazu erfährst Du über die Website.

Du kannst auch Touren in Kombination mit einer Stadtführung bei Get Your Guide buchen:

Comuna 13 auf eigene Faust?

Du kannst die Comuna 13 auch alleine besuchen. Allerdings würde ich nicht schreiben „bedenkenlos“, denn ein wenig Umsicht gehört natürlich dazu. Lies in Katrins Reisebericht für Kolumbien, wie sie die Comuna 13 auf eigene Faust besucht hat.

Mit der Metro fährst Du bis zur Station „San Javier“. Von dort fahren kleine grüne Busse hoch in die Comuna 13. Frag Dich im Bus zu den „Escaladores“ durch. Von der Endstation steigst Du ein paar hundert Meter zum Eingangsschild der Comuna 13 hinauf und wanderst zu den Rolltreppen weiter.

Weitere Tipps & Hintergrundinfos

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Beitrag einen lebhaften Eindruck sowohl in die Geschichte der Comuna 13 geben, als auch Deine Meinung und Vorstellung ein wenig verändern. Da ich nur Brocken Spanisch spreche und mich nicht als Expertin kolumbianischer Geschichte betrachte, kann das hier nur eine spärliche Betrachtung der Entwicklung sein. Dennoch ist ein erster Schritt ein Bewusstsein zu entwickeln für ein Land, das weit mehr ist als Drogen, Korruption und Kriminalität.

Als Einstieg in eine tiefere Betrachtung und ein umfangreiches Verständnis der kolumbianischen Geschichte empfehle ich Dir folgende Links:

Planst du einen Besuch der Comuna 13 in Medellín? Oder möchtest du deine Erfahrung verraten?

Hinterlasse uns einen Kommentar, wir freuen uns über dein Feedback. Hier findest du unsere Highlights in Medellín. Einen Reisebericht für 4 Wochen Kolumbien haben wir hier aufgeschrieben.

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Mandy Jochmann Autorin
Hi ich bin Mandy!

Moin, mein Name ist Mandy, ich bin ein Ostsee-Kind und liebe das Reisen! Neue Kulturen und exotische Länder entdecke ich genauso gern, wie ich meine Heimat Mecklenburg-Vorpommern erkunde. Außerdem bin ich Mentorin und Achtsamkeitstrainerin für Frauen.

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